Die Geschichte

Die verbriefte Geschichte der Basler Familie Vischer beginnt mit Leonhard Vischer-Drisch (ca. 1514–1596). Er ist sozusagen der Ur-Vater, der Stammbaum der Familie fängt mit ihm an (Generation 1). Fritz Vischer-Ehinger verfasste eine umfassende Chronik, die 1933 als Buch erschienen ist. Dieses kann unten auf der Seite angeschaut werden. Hier vorab eine kurze Zusammenfassung der Familiengeschichte.

Anfänge in Lechhausen im Allgäu

Die in Basel ansässige Familie Vischer stammt ursprünglich aus der zum bayerischen Landgericht Friedberg gehörenden Gemeinde Lechhausen. Leonhard Vischer-Drisch als ersten Vischer zu bezeichnen, ist allerdings eine Vereinfachung, die aber nach dem heutigen Stand der Geschichtsforschung für die Erstellung eines Stammbaumes unumgänglich ist: Von ihm liegt uns als ältestes Zeugnis über die Herkunft des späteren Basler Zweiges ein Mannrechtsbrief von 1546 vor, der auf den Namen Leonhard Vischer lautet und vom Landgericht Friedberg ausgestellt wurde. Als seine Eltern werden die Eheleute Hans und Ursula Vischer, deren genaue Lebensdaten aber nicht bekannt sind, genannt. Dank dieser Urkunde ist es möglich, ihren Träger mit dem um die Mitte der 1550er-Jahre im elsässsischen Colmar auftretenden Leonhard Vischer einwandfrei zu identifizieren.

Die Grundherrschaft über Lechhausen war von 1403 bis 1591 zwischen der St. Jakobs-Pfründe in der Reichsstadt Augsburg und dem Domkapitel Augsburg aufgeteilt. In den Urkunden der Augsburger Klöster aus jener Zeit taucht der Name Vischer, teils auch Fischer, immer wieder auf; so namentlich auch ein Leibbestandsrevers des Lienhart Vischer zu Gersthoven über ein Lehen, das vormals sein Vater Hanns Vischer innegehabt hat. Obschon in diesem Falle sogar die Vornamen übereinstimmen, lässt sich aber ein direkter Bezug dieses und auch der anderen Vischer zur später in Basel sesshaft werdenden Familie nicht nachweisen. Es ist also auch heute nicht möglich, die aufsteigende Linie weiter als bis zu Leonhard Vischer-Drisch zurück zu verfolgen.

Fest steht aber, dass der Name Vischer in grösserer Anhäufung im Raume Augsburg und im übrigen Deutschland, aber auch den Niederlanden (teils auch als Visscher), nach wie vor vertreten ist. Heute sind auch in den Vereinigten Staaten Vischer unterschiedlicher Provenienz anzutreffen. So gibt es im Staate New York sogar ein als «historic» bezeichnetes Dörfchen mit dem Namen «Vischer Ferry». Auch hier ist aber die Beziehung zu den im vorliegenden Stammbaum genannten Vischer unklar und bleibt weiterer Forschung vorbehalten.

Leonhard Vischer in Colmar

Aus dem Mannrechtsbrief von Leonhard Vischer-Drisch von 1546 geht hervor, dass er sich ins Ausland begeben will, um dort seiner «narung und handtierung» nachzugehen. 1549 ist er erstmals im elsässischen Colmar belegt, und 1554 erhält er das dortige Bürgerrecht.

Im Stadtarchiv Colmar ist, im Gegensatz zu den bayerischen Archiven, umfangreiches Material über Leonhard Vischer und seine Nachkommen zu finden. Fritz Vischer-Ehinger hat diese Unterlagen genutzt und 1933 ein grösseres, heute allerdings vergriffenes Werk über die «Familie Vischer in Colmar und Basel» verfasst.

Als Kaufmann scheint es Leonhard Vischer-Drisch in Colmar bald zu einigem Vermögen und Ansehen gebracht zu haben. Am 18. Dezember 1593 erhielt er vom Hof-Pfalzgrafen Philipp Paungarten einen Wappenbrief, der das ursprüngliche Wappen der Familie – drei gekreuzte Fische – ersetzte. Seither ist die über dem Wasser schwebende Melusine, die ihre beiden nach oben gebogenen Schwänze mit den Händen hält, das Kennzeichen im Familienwappen (schwach erkennbar auf dem Bild unten).

Umzug ins protestantische Basel

Als Colmar zur Zeit des 30-jährigen Krieges unter katholische Vorherrschaft kam, verliessen die dem calvinistischen Glaubensbekenntnis anhängenden Nachkommen von Leonhard Vischer die Stadt zwischen 1620 und 1630. Matthäus Vischer-Respinger kam, vermutlich 1630, siebenjährig zu seiner Grossmutter – geb. Kriegelstein – nach Basel. Zusammen mit seinem späteren Schwager, Leonhard Respinger, gründete er in der zweiten Hälfte der 1640er Jahre ein eigenes Spezerei-Handelshaus. 1649 erwarb er, kurz vor seiner Hochzeit, das Bürgerrecht und wurde Mitglied der Zunft zu Safran. Die beiden Töchter von Matthäus Vischer-Respinger heirateten in die Familie Stähelin, sein Sohn Leonhard in die Familie Iselin. Mit dem Handel als guter ökonomischer Grundlage konnten sie sich schnell im städtischen Bürgertum etablieren.

Leonhard Vischer-Wettstein, dessen Frau eine Urenkelin des 1666 verstorbenen Bürgermeisters Johann Rudolf Wettstein war, trat als erster auch im öffentlichen Leben auf. Er wurde 1755 zum Sechser der Safranzunft und damit zu einem Mitglied des Grossen Rates gewählt. Wohnhaft war er seit 1730 im Haus zur «Gens» am Spalenberg, das zuvor im Besitze der Familie Wettstein war.
Vischer-Wettstein hatte zwei Töchter und zwei Söhne. Die Linie setzt sich mit Leonhard Vischer-Birrfort, der das Geschäft seines Vaters weiterführte und ebenfalls im Hause am Spalenberg wohnte. Er war Irtenmeister der Kaufmannszunft zu Garntern, in die er sich 1747 aufnehmen liess. Im übrigen mied er aber jede politische Betätigung. Die politischen und sozialen Probleme, von denen sein Zeitgenosse Isaak Iselin erfüllt war, scheinen ihn nicht stark berührt zu haben.

Öffentliches Engagement

Die Kinder Vischer-Birr sind die achte Generation seit dem Urvater Vischer-Drisch bzw. die fünfte seit der Einbürgerung in Basel. Mit ihnen gewann die Familie in der Stadt an Profil und teilte sich erstmals in zwei Linien: Johann Jakob Vischer-Stähelin ist der Urvater der Stämme A bis E, während der Stamm F auf dessen um ein Jahr jüngeren Bruder Peter Vischer-Sarasin zurückgeht.

Die Brüder bekleideten beide zahlreiche öffentliche Ämter und setzten sich für die Interessen von Basel ein. Auf eidgenössischer Ebene forderten sie eine strikte Einhaltung der Neutralitätspolitik. Die Umwälzungen während und nach der französischen Revolution begünstigten ihr Interesse an der Politik. Zudem wurden sie auch von ihrem Schwager, Peter Ochs, unterstützt und beeinflusst. In Abweichung zu vielen Vertretern der alteingesessenen Familien verfolgten sie die Entwicklungen in Frankreich mit Sympathie und waren gegenüber der eidgenössischen Politik und dem Berner Adel kritisch eingestellt. So waren sie auch Mitglieder des 1797 gegründeten oppositionellen «Patriotenkämmerleins zum Rheineck». Die wesentlichen Ideen waren hier der Umbau der alten Privilegien-Gesellschaft und die demokratische Reformierung des Staatswesens «von oben herab», um Aufstände «von unten hinauf» zu verhindern. Am 22. Januar 1798 tanzten die Töchter Vischer am Freiheitsfest auf dem Münsterplatz mit.

Linie Blaues Haus

Beruflich führten die Brüder Vischer das Handelsunternehmen der Familie im Haus zur «Gens» weiter. Peter Vischer wohnte zunächst auch dort, übernahm aber 1802 von seinem Schwiegervater, Lukas Sarasin-Werthemann, den Reichensteinerhof – das «Blaue Haus» – mit der dort ansässigen Seidenbandfabrik. Dies bringt es mit sich, dass die Nachkommen von Peter Vischer-Sarasin heute gemeinhin als «Linie Blaues Haus» bezeichnet werden. Aus den Landgütern der Familie Werthemann gelangte er zusätzlich in den Besitz des Schlosses Wildenstein ob Bubendorf. Die Seidenbandfabrik wurde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts weitergeführt und war in der Spätphase am Claragraben angesiedelt.

Das Blaue Haus ging in den 40er-Jahren an die Stadt über, und das Schloss Wildenstein wurde Ende der 80er-Jahre an den Kanton Baselland verkauft. Die «Linie Blaues Haus» ist zahlenmässig vergleichsweise klein geblieben. Im 20. Jahrhundert haben sich einige von ihnen durch Heirat, aber auch Wegzug, in Richtung der angelsächsischen Länder orientiert.

Rheinsicht mit blauem und weissem Haus

Linie hinter dem Münster

Johann Jakob Vischer-Stähelin erwarb 1786 den ehemaligen Adelssitz Hohenfirstenhof an der Rittergasse, liess ihn aber seiner demokratischen Gesinnung folgend in «Rheinhaldenhof» umbenennen. Angesichts der geographischen Lage dieser Liegenschaft gaben sich die Nachkommen Vischer-Stähelin später den Namen «Linie hinter dem Münster». 

Das Ehepaar Johann Jakob und Margaretha Vischer-Stähelin

Aus der Ehe Vischer-Stähelin sind neun Kinder hervorgegangen. Genealogisch führt die Linie über die beiden Söhne Benedikt Vischer-Preiswerk – Urvater der Stämme A, B und C – sowie Wilhelm Vischer-Le Grand an der Spitze der Stämme D und E weiter. Die Liegenschaft «hinter dem Münster» wurde geteilt: Der jüngere Wilhelm übernahm den Hohenfirstenhof mit der abgestuften Gartenanlage zum Rhein hin, der ältere Benedikt den Garten bis zur heutigen Wettsteinbrücke. Dort baute er sich 1831 ein neues Haus (Rittergasse 31). Beide Liegenschaften sind noch heute im Besitze jeweiliger Deszendenten.

Der Hohenfirstenhof um 1850

Als Kaufleute und mit ihrem Einsatz in zahlreichen öffentlichen Ämtern führten die Söhne Vischer-Stähelin das Werk ihres Vaters fort. Zudem waren sie hohe Offiziere. Namentlich Benedikt vertrat zur Zeit der Restauration als Führer der Opposition und in den 1840er-Jahren im Verfassungsrat stets moderne, liberale Positionen. Im Umgang mit der unzufriedenen Bevölkerung der Landschaft plädierte er für Mässigung und gegen militärische Mittel. Als Oberst konnte er sich aber 1833 dem Befehl, Basels Truppen zu kommandieren, nicht entziehen. Die Intervention endete mit einer Niederlage und der Teilung des Kantonsgebietes.

Benedikts jüngerer Bruder, Wilhelm Vischer-Le Grand und in zweiter Ehe Vischer-Valentin, schloss sich zu Beginn seiner politischen Tätigkeit ebenfalls der aufstrebenden Liberalen Partei an, verschrieb sich später aber dem konservativen Gedankengut. Nach der Abspaltung der Landschaft setzte sich aber bei der Gestaltung eines neuen Steuergesetzes, in dem erstmals das Instrument der Progression verankert war, wieder sein Sinn für politischen Fortschritt durch.

Die Nachkommen Vischer-Le Grand

Die Linie Vischer-Le Grand setzt sich mit Friedrich Vischer-Bischof und danach den Stammeltern Vischer-Bachofen (Stamm D) und Vischer-Beck (Stamm E) fort. Auch sie hatten öffentliche Ämter inne, führten aber im wesentlichen das familiäre «Handelshaus in Farbwaren Vischer & Sohn», das in den Ökonomiegebäuden des Hohenfirstenhofes untergebracht war, weiter.

Erst nach Schliessung dieses Geschäftes im Jahre 1905 verbreitert sich in der 12. Generation mit dem Historiker Friedrich Vischer-Ehinger, dem Architekten Johann Jakob Egon Vischer-Kern und dem Juristen Leonhard Vischer-Lehe das berufliche Spektrum. Bis heute leben die Nachkommen der Stämme D und E mehrheitlich im Raume Basel oder in anderen Schweizer Städten. Niemand hat sich dauerhaft im Ausland niedergelassen.

Die Nachkommen Vischer-Preiswerk

Sophie und Benedikt Vischer-Preiswerk

Die Nachkommenschaft von Benedikt Vischer-Preiswerk ist wesentlich grösser als die seines Bruders Wilhelm. Sie entwickelte sich auch beruflich anders: Mit Benedikts Sohn Wilhelm Vischer-Bilfinger trat schon im 19. Jahrhundert ein engagierter Intellektueller auf. 1836 wurde er zum ordentlichen Professor für Philosophie ernannt. Gleichzeitig war er als Konservativer mit föderalisticher Gesinnung immer auch politisch aktiv. Die Entwicklung der Universität und des Bildungswesens in Basel prägte er massgeblich. In dieser Eigenschaft berief er auch Nietzsche nach Basel.

Der Einfluss des Vaters Vischer-Bilfinger prägte auch seinen ältesten Sohn, Wilhelm Vischer-Heussler, Stammvater des Stammes A. Als Theologe und Historiker schlug auch er eine akademische Laufbahn ein. Als Professor, zeitweilig auch als Rektor, wirkte er an der Universität Basel und umrahmte diese Tätigkeit nicht nur mit politischen Ämtern, sondern auch mit grossem Einsatz für kirchliche Organisationen. Sein Grossohn, Dietrich Vischer-Hoffmann, führte im familären Hause an der Rittergasse 31 während Jahrzehnten eine Kinderarztpraxis, auf die man heute noch angesprochen wird.

Der zweite Sohn, Adolf Eberhard Vischer-Sarasin, Stammvater des Stammes B, gründete nach längerem Aufenthalt in China ein angesehenes Handelshaus. Im späteren Verlaufe seines Lebens widmete er sich aber nur noch sozialen und kirchlichen Aufgaben und führte ein einfaches Leben. Zwei seiner Söhne, nämlich Hans Vischer-von Tscharner und Marcus Vischer-Merian, wanderten nach England aus. Ihre Nachkommen leben auch heute noch dort.

Der jüngere Eduard Vischer-Sarasin, Stammvater des Stammes C, wurde dagegen Architekt und Begründer des Büros Vischer & Fueter. Einige ihrer Bauten, so etwa die Erweiterung des Rathauses, das Sevogelschulhaus und die Villa Gartenstrasse 78, prägen noch heute das Stadtbild mit. Unter den Nachkommen hat sich die Tradition der Architektur bis in die jüngste Vergangenheit fortgesetzt.

Jakob Eduard und Clara Amalia Vischer-Sarasin

Das 20. Jahrhundert

Im 20. Jahrhundert sind Überlieferungen nicht mehr so prägend. Die Familie vergrössert sich und umfasst über 200 Nachkommen. Auch das berufliche Spektrum erweitert sich laufend, und etliche verlassen das kleinräumige Basel vorübergehend oder für immer. Zur Veranschaulichung seien einige, in ihrer Art typische Lebensbilder aufgezeigt:

Für die Basler Mission ging Mattheus Vischer-Mylius (Stamm A) mit seiner Familie in den 20er-Jahren nach Borneo. Der Einsatz endete 1943 tragisch, denn die Eltern wurden in den Kriegswirren von den japanischen Besetzern umgebracht.

Hanns Vischer-von Tscharner (Stamm B) stand im Dienste des britischen Empire. Er hielt sich viel in den Kolonien auf und verfolgte die Entwicklung dieser Länder mit Interesse. Er setzte sich auch für die Belange der lokalen Bevölkerung ein. Obschon Ausländer, wurde er zum «Sir» ernannt.

Adolf Vischer-Simonius (Stamm C) war ein äusserst erfolgreicher und international tätiger Kaufmann. Er half wesentlich mit, 1938 die «Stiftung der Familie Vischer, Benediktscher Ast» ins Leben zu rufen. Ihr gehörten die Stämme A, B und C an. 1948 schlossen sich auch die Stämme D und E an. Daraus hat sich die neue Bezeichnung «Stiftung der Familie Vischer, Linie hinter dem Münster» ergeben. Die Pflege der familiären Beziehungen und der Aufbau eines Archives sind die wesentlichsten Zweckbestimmungen dieser Stiftung.

Johann Jakob (Beppi) Vischer-Messer (Stamm C) entschied sich entgegen den Erwartungen seiner Eltern Vischer-Geigy für eine militärische Laufbahn und wurde schliesslich zum Generalstabschef ernannt. Neben seiner militärischen Tätigkeit wirkte er auch als Mitglied des Verwaltungsrates der damaligen Ciba-Geigy AG. 

Heute sind alle Unterlagen im Basler Staatsarchiv, und 1993/94 sind sie auf Anregung des Historikers Eduard Vischer-Jenny neu geordnet worden. Die Stiftung hat diese Arbeit finanziert.

Fritz Vischer

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