Martha Biberauer-Vischer
(1874-1933)

Martha Biberauer-Vischer, 29.9.1874-3.5.1933
Stamm B

Richard Joseph Biberauer-Vischer, 25.1.1872-10.1.1939


Martha Vischer[1] heiratete 1901 den ungarischen Theologen Richard Biberauer. Die beiden hatten drei Kinder: Richard, Alice und Georg (György Adolf Tivadar). Die beiden Brüder nahmen 1940 als Abgrenzung zur zunehmend völkisch deutschen Kultur in Ungarn den Familiennamen Bodoky anstelle des deutsch klingenden Biberauer an. 
Georg (1914–1999) vermählte sich mit Anna Elisabeth, Annelies, Vischer (1917–2012, Stamm C) und hatte vier Kinder: Andràs, Dorottya, Peter und György (Georg).
Dorottya (1946-2006) ehelichte den Theologen Georg Vischer (1939, Stamm A). 
Der in Basel lebende Andràs Bodoky-Hoffmann (1944), Prof. Dr. med. und langjähriger Chefarzt des Spitals Burgdorf (heute Spital Emmental), verfasste das nachstehende von Fritz Vischer leicht redigierte Kurzportrait über seine Grossmutter.

Martha Vischer wurde 1874 als fünftes Kind von Adolf Eberhard und Rosalie Vischer-Sarasin (Ureltern des Stamms B) in Basel geboren. Als der Vater die Leitung des Diakonissenhauses in Bern übernahm, zog die Familie in die Bundesstadt. Nach Abschluss der Schule in Bern beteiligte sich Martha an der Ausbildung der Diakonissen. 1901 war Richard Biberauer, ein ungarischer Theologe, im Diakonissenhaus Bern zu Gast. Er wurde zu Hause in Budapest mit der Aufgabe betraut, eine Diakonissenbewegung aufzubauen und besuchte deshalb die wichtigsten Diakonissenhäuser in Europa. Während des Aufenthaltes kamen Martha und der Gast ins Gespräch, sie beantwortete seine Sachfragen und gab dem jungen Theologen wertvolle Ratschläge. Kurz darauf fassten die beiden den Entschluss, den Aufbau der Diakonissenbewegung in Budapest gemeinsam in Angriff zu nehmen.

Umzug nach Budapest

Nach der Hochzeit 1901 in Bern reisten Richard und Martha gemeinsam nach Budapest. Zu dieser Zeit arbeiteten deutsche Diakonissen in einer kleinen Krankenstation in der Innenstadt von Budapest. Diese konnten aber mangels Ungarischkenntnissen weder mit den Patienten noch mit den Mitarbeitern reden. 

Das junge Paar machte sich sofort an die Arbeit. 1903 gründeten sie den Diakonissen-Verein Filadelfia, in dessen Rahmen sie eine Ausbildung in der Krankenpflege organisierten. Für diese Ausbildung meldeten sich bald interessierte junge Frauen aus ganz Ungarn. Die Krankenstation in der Innenstadt wurde schnell zu klein. Einige Jahre später konnten sie, mit finanzieller Hilfe aus dem In- und Ausland, das heute noch funktionierende Bethesda Krankenhaus erwerben. 1912 arbeiteten dort bereits 20 gut ausgebildete Diakonissen. Das Spital hatte einen ausgezeichneten Ruf. Die in der Bethesda ausgebildeten Diakonissen übernahmen neben der Pflege auch soziale Aufgaben in den Kirchgemeinden und in den dem Verein angeschlossenen Schulen.


Martha und Richard im Park des Spitals – umgeben von Diakonissinnen.

Spanische Grippe und Räterepublik

Die Ereignisse der Jahre 1914 bis 1920 stellten das Spital und den Verein auf eine harte Probe. Der Krieg brachte viele Verletzte und später wurden zahlreiche Patienten im Haus behandelt, die an der Spanischen Grippe erkrankt waren. Trotz der vielen Arbeit und der grossen Not kam von Staat und Kirche kaum noch finanzielle Unterstützung. Die Reserven waren bald aufgebraucht. 

Während der Schreckensherrschaft der sozialistischen Räterepublik 1919 wollten die Behörden das Haus verstaatlichen und schliessen. Dies konnte nur dank den Vertretern des Internationalen Roten Kreuzes verhindert werden, die das Spital unter den Schutz des Roten Kreuzes stellten. So konnte das Diakonissenspital nach einer kurzen Pause 1919 seine Arbeit wieder aufnehmen.

Im Land herrschte grosse Armut und aus den Ungarn aberkannten Gebieten kamen scharenweise Flüchtlinge ins Land. Das bedeutete, dass das Haus neben der Pflege auch immer mehr soziale Aufgaben übernehmen musste. Insbesondere die verwaisten Kinder brauchten dringend Hilfe. 

Martha stellte sich immer

Martha Biberauer setzte sich mit unermüdlicher Energie für die neugegründeten Kinderheime ein. In diesen schwierigen Jahren stand die Familie Vischer und vor allem Marthas Brüder der Familie Biberauer mit Rat und Tat zur Seite. Martha verschickte zahlreiche Briefe nach ganz Europa, in denen sie für das notgeplagte Haus um Hilfe bat. Sie schrieb in schweizerischen und holländischen Zeitschriften zudem viele Artikel über die Arbeit der Diakonissen im Bethesda. Es ist nicht zuletzt ihr zu verdanken, dass das Diakonissenhaus, das Spital und die Kinderheime mit ausländischer Hilfe wieder auf die Beine kamen. Auch im Land selber, insbesondere in der Reformierten Kirche, bekamen sie immer mehr Anerkennung. In all diesen Jahren war Martha Biberauer die Seele des Diakonissenhauses, ihre Tür stand immer für alle offen. Ihr fester Glaube gab ihr die notwendige Kraft für diese grosse Aufgabe.


Richàrd (jun.) und Agnes Biberauer-Zombory im Kreis der Diakonissinnen. 

Martha Biberauer starb 1933 an einem Herzleiden. In den darauffolgenden Jahren musste ihr Mann Richard das Diakonissenhaus alleine führen.1938 wurde der Filadelfia Verein in eine Stiftung umgewandelt. Nach dem Tod des Vaters wurde Marthas ältester Sohn, Richàrd, Leiter der Stiftung. Das Filadelfia-Diakonisseninstitut überlebte die schwierigen Kriegsjahre, jedoch wurde es nach der kommunistischen Machtübernahme 1951 aufgelöst. Das Bethesda Spital blieb aber erhalten und ist heute wieder ein hoch angesehenes Kinderspital der Ungarischen Reformierten Kirche.

Anmerkung
[1] Schwester des ebenfalls vorgestellten «Sir Hanns» und Tante von «Stine» Staehelin-Vischer

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