Paul und Lyl Vischer-Des Gouttes, Karl Vischer-Speiser

Kaufmann und Prediger

Paul Thomas Leonhard Vischer-Des Gouttes, 1.4.1899 bis 26.10.1982,
Stamm A

Marceline Eva Elisabeth Lyl Vischer-des Gouttes, 10.3.1902 bis 3.8.1975

 

«Urgrosseltern und Grosseltern der Kinder Vischer-Stocker»: So heisst die 44-seitige illustrierte Chronik, die Daniel L. Vischer 2015 für seine vier Kinder und Interessierte herausgegeben hat. Daniel ist das dritte Kind des Ehepaars Vischer-des Gouttes. Er bildete sich an der ETH Zürich zum Bauingenieur aus. 1970 wurde er dort Professor und Leiter der Versuchsanstalt für Wasserbau, Hydrologie und Glaziologie (VAW). Seiner Familienchronik ist das nachstehende Porträt, das er über seinen Vater geschrieben hat, entnommen. Zwei kürzere, die er über seine Mutter und seinen Grossvater verfasst hat, folgen anschliessend. – Fritz Vischer hat die Texte redigiert. 

Paul Vischer 1915

Paul Vischer wurde am 1. April 1899 als drittes Kind von Karl Vischer und Esther Speiser in Basel geboren. Die Schulbildung schloss er 1917 mit der Maturität am Basler Realgymnasium ab und wählte dann eine kaufmännische Laufbahn. Ein erstes Lehrjahr absolvierte er in der Speditionsfirma Danzas in Basel, zwei weitere Lehrjahre in einer Bank in Genf. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt in Schottland trat er 1921 in die Seidenbandfabrik William Sarasin & Cie. ein, in der sein Vater Teilhaber war. Dort widmete er sich hauptsächlich der Kalkulation und der Fabrikation. Zwischendurch leistete er Militärdienst und avancierte zum Leutnant der Infanterie.

Sein Weg führt zur Theologie

Paul war im christlichen Glauben aufgewachsen. Dieser erfuhr anlässlich seines Schottlandbesuchs in der Faith Mission noch eine Vertiefung. Seine intensive Mitwirkung im Christlichen Verein Junger Kaufleute in Basel führte 1926 dazu, dass er in den vollzeitlichen Dienst des Christlichen Vereins Junger Männer (CVJM) berufen wurde. Er nahm das unter der Bedingung an, dass er sich zuerst zwei Jahre lang einschlägig ausbilden könne. Dementsprechend gab er seinen Beruf als Textilkaufmann auf und studierte im Bible Training Institute in Glasgow, Schottland, Theologie. Nebenher besuchte er einige CVJM-Sekretäre, wie etwa Carl von Prosch in Dresden.

Bekanntschaft mit der Familie des Gouttes

Im Juli 1926 nahm Paul als Mitglied der Schweizer Delegation an der Weltkonferenz des CVJMin Helsinki, Finnland, teil. Dort machte er Bekanntschaft mit der Familie von Paul Des Gouttes aus Genf, dem Präsidenten des CVJM-Weltbundes. Insbesondere schloss er mit dessen Tochter Elisabeth, Lyl, eine innige Freundschaft, die bald zur Verlobung und 1928 zur Heirat führte. Im selben Jahr trat er auch seine erste Stelle als CVJM-Sekretär in Lausanne an. Seine Aufgabe war es, junge Deutschschweizer zu betreuen, die ihre Berufsausbildung – wie es damals üblich war – durch ein sogenanntes ‹Welschland Jahr› ergänzten.

Seine Brüder gehen ähnliche Wege

Was machten die beiden Brüder von Paul in dieser Zeit? Der eine, Mattheus[1], reiste 1927 mit seiner Frau nach Borneo, heute Indonesien, um dort als Missionsarzt zu wirken. Der andere, Georg[2], widmete sich als Pfarrer ab 1921 der Verkündigung in Österreich und ab 1926 dem Theologieunterricht in der Predigerschule St. Chrischona bei Riehen. Die drei Söhne des Basler Fabrikanten Karl Vischer-Speiser gingen also bei aller Verschiedenheit irgendwie ähnliche Wege – und das ausserhalb ihrer Vaterstadt.

Lyl und Paul Vischer-Des Gouttes mit Jean-Marc und Daniel, 1933.

Zurück in die Deutschschweiz

Infolge der Wirtschaftskrise in den 1930er-Jahren verminderte sich die Zahl der jungen Deutschschweizer, die ein ‹Welschland Jahr› absolvierten. 1934 trat Paul deshalb in den Dienst der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern (EGB), und zwar als Prediger in Rüegsauschachen im Emmental. So zog er mit seiner Familie von Lausanne dorthin. Seine Tätigkeit umfasste die Durchführung von Gottesdiensten und das Halten von Bibelstunden, sowohl im Vereinshaus in Rüegsauschachen als auch in einigen abgelegenen Weilern und Bauernhäusern. Dazu gehörte ebenfalls der Besuch von Kranken und Bedürftigen. Für die Fahrten ins verwinkelte Hügelland stellte ihm sein Schwiegervater ein kleines Auto zur Verfügung. Als aber der Zweite Weltkrieg von 1939-1945 eine strikte Benzinrationierung brachte, musste dieses ‹eingemottet› werden. Ab dann benutzte Paul nur noch sein Fahrrad. Die Arbeit war streng, aber auch befriedigend; es wurden dabei viele Beziehungen geknüpft und Freundschaften geschlossen. Sie forderte indes auch ihren Tribut: Ein zeitweilig aufbrechendes Magengeschwür machte Paul über zehn Jahre lang zu schaffen.

Der aufkommende Pietismus im 19. Jahrhundert

Die Evangelische Gesellschaft des Kantons Bern (EGB) wurde 1831 gegründet. Es war eine Reaktion auf den damals aufkommenden theologischen Liberalismus, der unter anderem die Göttlichkeit von Christus in Frage stellte. Die ersten Versammlungen fanden in einem Berner Altstadt-Haus statt und wurden von Patriziern, Pfarrern, Theologiestudenten und Landleuten besucht. Man wollte aber auf jeden Fall innerhalb der reformierten Landeskirche bleiben. In den ersten 40 Jahren wirkte der Patrizier Karl Stettler von Rodt als Präsident. Zum Programm gehörten Bibel-, Gebets- und Missionsstunden, auch wurden Hilfsvereine gebildet. Später erfolgte die Gründung des Lehrerseminars Muristalden, der Neuen Mädchenschule und des Freien Gymnasiums. In der Blütezeit anfangs der 1880er-Jahre setzte eine starke Breitenentwicklung ein. An vielen Orten im Kanton baute man Vereinshäuser, installierte Versammlungsräume und stellte Prediger ein. Es war ein pietistischer Aufbruch, wie er sich auch in anderen reformierten Gegenden der Schweiz ereignete. Grundsätzlich betrachtete man die EGB als Fraktion der bernischen Landeskirche, tatsächlich war sie jedoch eine Art Freikirche. Ihre Prediger waren eigentlich Pastoren, die bloss das Taufen und Konfirmieren der Kinder den landeskirchlichen Geistlichen überliessen. 1996 vereinigte sich die EGB – im Sinne einer Konzentration der Kräfte – mit ähnlich ausgerichteten Gesellschaften zum Evangelischen Gemeinschaftswerk des Kantons Bern (EGW).

Paul Vischer-Des Gouttes mit Christian, Susanne, Daniel, Jean-Marc, 1942.

Die Familie Vischer-des Gouttes

Dem Ehepaar Vischer-des Gouttes wurden fünf Kinder geschenkt: 1929 Jean-Marc, 1931 Louise, 1932 Daniel, 1937 Christian und 1938 Susanne. Leider starb Louise schon als Einjährige. Bemerkenswert ist, dass Lyl, die Genferin, in Rüegsauschachen rasch Schweizerdeutsch lernte und es bei der tatkräftigen Unterstützung der Arbeit ihres Gatten auch anwandte – freilich bis zu ihrem Lebensende mit einem leichten französischen Akzent. Die Kinder übernahmen ohne weiteres den lokalen Berner Dialekt.

Zum Stil der EGB gehörte es, dass ein Komitee in Bern über den Einsatz der Prediger bestimmte; die Betroffenen wurden kaum angehört. Kraft eines solchen Beschlusses wurde Paul 1940 nach Herzogenbuchsee im Oberaargau versetzt. Also zog die sechsköpfige Familie im dortigen Vereinshaus ein, was für das älteste Kind Jean-Marc einen heiklen Schulwechsel bedeutete. Für Paul blieb die Arbeit in etwa dieselbe. Zusätzliche Probleme für alle ergaben sich aus der Kriegszeit: «Anbauschlacht» im Garten, also die behördlich angeordnete landwirtschaftliche Nutzung freier Flächen, «Aktivdienst» im Militär, Ortswehrübungen, aber auch die Beherbergung von Internierten[3]. 1945 traf die schmerzliche Nachricht vom 1943 erfolgten Tod des Bruders Mattheus und seiner Frau in Borneo ein.

1950 wurde Paul nach Luzern, einem Aussenposten der EGB, versetzt. Vom entsprechenden Umzug waren nur noch die beiden jüngeren Kinder Christian und Susanne betroffen. Die älteren, nämlich Jean-Marc und Daniel, gingen bereits anderswo ihrer Ausbildung nach. Paul leitete in Luzern in Zusammenarbeit mit dem Hotel Johanniterhof die Stadtmission und betreute einige EGB-Diasporagemeinden im Kanton. 1959 veranlasste ihn eine Anfrage aus Basel, dort im Auftrag der Stadtmission die sogenannte Dargebotene Hand, eine Telefonseelsorge, aufzubauen. Der Anfang liess sich gut an, die Fortsetzung wurde infolge von kirchenbehördlichen Kritiken jedoch immer unerquicklicher. Vermutlich war die Arbeit auch sonst nicht auf das Ehepaar Vischer zugeschnitten. Paul gab sie deshalb auf und übernahm 1963 wieder eine Predigerstelle der EGB in Wangen an der Aare. 1967 ging er in Pension und zog sich mit Lyl nach Bern zurück. Von dort aus übernahm er noch einige Vertretungen von Pfarrern und Predigern. Er starb 1982 als 83-Jähriger; Lyl war ihm 1975 vorausgegangen.

Basler Rheinfähre, ‹Schattechäsperli› von Paul Vischer, ca. 1948.

Rückblick auf den Vater

Daniel erlebte seinen Vater als ausgeglichenen Menschen, der entweder in seinem Büro arbeitete oder zu einem Dienst unterwegs war, letzteres insbesondere am Abend und an den Sonntagen. Die seltenen Ausflüge, die er mit seinen Kindern machen konnte, hatten fast Festcharakter. Bei Wanderungen steckte in einer seiner Taschen jeweils ein Skizzenbuch, in welchem er ab und zu Landschaften festhielt.

Wichtig waren auch seine aus Halbkarton geschnittenen kleinen Figuren, die er hinter einer ebenfalls kleinen Leinwand als Schattenfiguren zu verschiedenen Familienszenen zusammenstellte, zum sogenannten Schattechäsperli. Für die weitgefächerten Aktivitäten seines Sohnes Daniel beim Basteln, bei Velotouren, mit den Pfadfindern und später in der Gymnasialverbindung brachte er viel Verständnis auf. Erst im Erwachsenenalter merkte jener, wie konsequent der Vater seinen Berufsweg ging und wie bescheiden er dabei trotz seinem grossen Wissen und seinen vielen Erfahrungen blieb. Beeindruckend war, wie er in den letzten sieben Jahren seines Lebens, als er Witwer war, den Kontakt zu seinen Schwiegertöchtern und Grosskindern fand.

 

Lyl Des Gouttes, ca. 1925.

Eine Genferin in der Zeit zwischen den Kriegen

Lyl Vischer-Des Gouttes, 10.3.1902 bis 3.8.1975

 

Einige Historiker betrachten heute die beiden Weltkriege von 1914-1918 und 1939-1945 als einen einzigen Krieg und deuten die Zwischenzeit von 21 Jahren als eine Art Feuerpause.

Elisabeth, genannt Lyl, war zu Beginn dieser Zeit 16 und am Ende 37 Jahre alt. Entsprechend fielen ihre Berufsausbildung und Familiengründung in diese Zeit. Lyls Vater war zuerst Anwalt und dann Mitglied des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK). Mit ihm als Vorbild wandte sich Lyl ebenfalls der internationalen Sozialarbeit zu. Auch hatte „ganz Genf“ damals eine Empathie für kriegsversehrte Volksgruppen. So absolvierte Lyl nach der Maturität ein Praktikum im „Canning Tower Womens Settlement“ in London und besuchte die „Ecole sociale“ in Genf mit Vertiefung in „Protection de l’enfance“. Dann folgte ein Einsatz bei der „Union internationale de secours aux enfants“ in Wien und Budapest.

Ihre erste Berufsstelle trat sie als Sekretärin des Kinderhilfsfonds in Genf an. 1926 wurde Lyl an den Weltkongress des Christlichen Vereins junger Männer (CVJM) in Helsinki delegiert. Dort befreundete sie sich mit dem Basler Textilkaufmann Paul Vischer (1899-1982, Stamm A), der sich auf die Tätigkeit eines CVJM-Sekretärs vorbereitete. Um ihre Bibel- und Deutschkenntnisse zu verbessern, besuchte sie im Winterhalbjahr 1927/28 den Bibelkurs für Frauen auf St. Chrischona bei Basel. Nach der Heirat 1928 liess sich das Paar in Lausanne nieder, wohin Paul als „Welschlandssekretär des Deutschschweizer CVJM“ berufen wurde. Es ging um die Betreuung junger Deutschschweizer, die sich während eines „Welschlandjahres“ sprachlich und beruflich weiterbilden wollten.

Lyls Fokus verschob sich folglich von internationalen zu nationalen Fragen und bald zu familiären. 1929–1932 brachte sie drei Kinder zur Welt, von denen das zweite schon einjährig starb. Die Wirtschaftskrise der 1930er Jahre hatte zur Folge, dass die jungen Deutschschweizer im Welschland keine Stellen mehr fanden, so dass der Dienst von Paul hinfällig wurde. Vielleicht erwog er damals eine Rückkehr zu seinem Beruf eines Textilkaufmanns – doch sicher nicht in die sterbende Basler Seidenbandindustrie, aus der er stammte.

1934 nahm er aber eine Stelle als Prediger der Evangelischen Gesellschaft des Kantons Bern (EGB) in der Gemeinde Rüegsauschachen im Emmental an. Damit wurde Lyl praktisch eine Pfarrfrau, freilich ohne das (damalige) Prestige landeskirchlicher Pfarrfrauen. Sie gab Sonntagsschule, leitete Frauengruppen, hielt Vorträge, verteilte Literatur und vieles mehr. Dabei sprach sie konsequent deutsch, auch im Umgang mit ihren Kindern, die sich 1937/38 um zwei auf vier vermehrten. Mit dem Ausbruch oder der Fortsetzung des Weltkriegs 1939 brach dann ein neuer Lebensabschnitt mit weiteren Herausforderungen an.

 

Karl E. Vischer, ca. 1910.

Der Bändelherr

Karl Eduard Vischer-Speiser (10.5.1868-2.4.1929)
Esther Vischer-Speiser (20.5.1876-9.12.1957)

 

Über seinen Grossvater, den Seidenbandfabrikanten Karl Eduard Vischer-Speiser und seine Frau Elisabeth Esther Vischer-Speiser schreibt Daniel Vischer folgendes:

Karl Eduard Vischer wurde am 10. Mai 1868 in Basel geboren. Er war das vierte von sieben Kindern des Ehepaars Wilhelm Vischer, Historiker, und Sophie Heussler. Die Schulen durchlief er in Basel mit einem Zwischenjahr im Knabeninstitut der Herrnhuter Brüdergemeine in Prangins, Kanton Waadt. Nach der Matura am Humanistischen Gymnasium wählte er den Beruf eines Kaufmanns. Das Rüstzeug dazu vermittelten ihm seine Verwandten Georges Fürstenberger-Vischer und Adolf Vischer-Sarasin[4]. Der Ergänzung dienten Studienaufenthalte in St. Etienne in Frankreich sowie in Italien und England.

Dann – das heisst in den 1890er Jahren – wandte er sich der Bandfabrikation zu, zuerst als Angestellter in der Bandfabrik Trüdinger & Cie. und später als Teilhaber der Bandfabrik J. J. Linder & Cie. Bei deren Eingliederung in die Bandfabrik W. Sarasin wirkte er auch dort als Teilhaber und Mitglied der Geschäftsleitung, bis zu seinem Rücktritt Ende 1928. Er übte seinen Beruf gerne aus und bezeichnete die Bandfabrikation bisweilen als «ideale Industrie». Ganz Basler seiner Zeit gab er aber seiner Familie und seinen Freunden keine Einzelheiten über seine Tätigkeit preis.

Die Seidenbandindustrie

Im Sinne eines Einschubs sei erwähnt, dass die Seidenbandindustrie in und um Basel lange die wichtigste Industrie war. Sie prägte die Stadt und das Land durch ihre Betriebe und eine weit verbreitete Heimarbeit nachhaltig. Eingeführt wurde sie Ende des 16. Jahrhunderts durch protestantische Glaubensflüchtlinge aus Italien und Frankreich. Sie erlebte eine erstaunlich lange Blütezeit, wobei es natürlich auch einige politisch bedingte Einbrüche gab, wie etwa in Kriegszeiten. Ihr Ende schien sich in den späten 1920er-Jahren[5] abzuzeichnen, als die Mode sich von den Bändern abwandte, weil die Frauen auf solche als Atout an Hüten und Kleidern sowie in ihrer Haartracht verzichteten. Dabei gelang es nicht allen Bandfabrikanten, ihre Betriebe rechtzeitig auf andere Produkte auszurichten. Karl Vischer wurde von dieser Wende am Schluss seiner Berufslaufbahn betroffen. Er litt unter dem Niedergang mit der damit verbundenen Entlassung treuer Mitarbeiter und dem Abbau der Heimarbeit. Da er aber schon 1929 in seinem 61. Altersjahr starb, war es ihm nicht vergönnt, etwas dagegen zu unternehmen.

In christlicher Mission

Es fällt auf, dass er nebenberuflich keine öffentlichen Ämter bekleidete, wie das so mancher «Bändelherr» tat. Es wird ihm zwar ein gutes Auftreten und die Gabe der freien Rede attestiert. Doch benützte er beides, um die Verbreitung des Evangeliums zu fördern. Er war tief gläubig, machte aber kein Aufheben darum. Er stellte sich in seinem Wohnort Basel als Präsident oder Vorstandsmitglied in den Dienst christlicher und sozialer Institutionen und unterstützte diese finanziell. Zu nennen sind vor allem die Evangelische Stadtmission, das Evangelische Werk unter Italienern, der Verein zur Verbreitung christlicher Schriften, die Kirchliche Hilfsgesellschaft in Basel und die AG für Arbeiterwohnungen auf der Breite.

1895 heiratete er die Baslerin Esther Speiser. Aus dieser Verbindung gingen sechs Kinder hervor, drei Söhne und drei Töchter: 1896 Mattheus, 1897 Georg, 1899 Paul, 1901 Emma Esther, 1905 Elisabeth (Lisette) und 1909 Anna (Anneli).

Zurückhaltend und doch heiter

Was war Karl Vischer für ein Mensch? Für Aussenstehende wirkte er offenbar zurückhaltend; er war nicht leicht ablesbar. Auf die Pflege reiner Geselligkeit in Vereinen oder auf ‹Parties› verzichtete er weitgehend. Auch wurde seine entschiedene christliche Ausrichtung nicht überall verstanden. Vielleicht absorbierten ihn seine beruflichen und zahlreichen weiteren Verpflichtungen. Anders gab er sich aber in der Familie. Dort war er, wie seine Söhne im Abdankungstext von 1929 festhalten, liebenswürdig und unbeschränkt hilfsbereit. Dort offenbarte er sein «im Grunde heiteres Gemüt». Ja, «wenige verstanden es wie er, mit Kindern ein Kind zu sein».

In dieses Bild passt auch, dass er lustige Zauberkünste beherrschte und, wie später auch sein Sohn Paul und sein Enkel Daniel, mit kleinen, aus Halbkarton gefertigten Schattenfiguren Theater spielte: das beliebte ‹Schattechäsperli›. Im Übrigen war er kulturell aufgeschlossen und schuf selber eine Reihe von Aquarellen sowie eine stattliche Anzahl von Gedichten. Daniel, der erst 1932 geboren wurde, bedauert es, ihn nicht erlebt zu haben.

 

Anmerkungen

[1] Carl Mattheus Vischer-Mylius (1896-1943)
[2] Karl Georg Vischer-Heringa (1897-1966)
[3] Konkret handelte es sich um ausländische Soldaten, die in die Schweiz geflohen waren.
[4] Onkel von Karl, Urvater des Stamms B
[5] Das Wachstum hatte sich bereits ab 1860 abgeschwächt.

 

Weitere Vischer Portraits

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(1874-1933)

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